Ellipse: Prall und Proll
     

 

            Spiegelbild

Nach dem x-ten Ehejahr
schaute Jill mit grauem Haar
und mit Furchen im Gesicht
morgens noch im trüben Licht
in das Spieglein an der Wand
und verlor fast den Verstand,
der ihr nach dem x-ten Jahr
grade noch geblieben war.

Schönheit so wie Geisteskraft
waren längstens schon erschlafft.

Schuld daran war auch ihr Mann,
der es nie ertragen kann,
dass mal jemand leuchtend strahlt
und nicht er, der heut nur zahlt.
Sie stand schmollend mit dem Mund
immer nur im Hintergrund.

Dumm gehalten, unterdrückt,
mit den Jahren leicht gebückt
ging es abwärts mit dem Weib
geistig und auch mit dem Leib,
der erst langsam, gar nicht viel
dann doch mehr und mehr verfiel.

Jeder Monat, jedes Jahr,
was summiert ihr Leben war,
das erschien ihr deutlich klar
bei dem Blick in ihr Gesicht.

Fast erkannte sie sich nicht
Bei den Spuren weit und breit
Von dem grimmen Zahn der Zeit.

Dann doch huschte maliziös,
auf gut Deutsch gemein und bös
kurz ein Lächeln um den Mund,
denn im tiefsten Herzensgrund
dachte sie an ihren Mann.

Macht dich das noch an mir an?
fragte sie per Spiegelbild.
Früher machte ich dich wild,
weil mein Charme und Sexappeal
dir doch gar zu gut gefiel.

Das ist alles futsch und hin.
Doch genau so wie ich bin,
bin ich jetzt noch dein Revier
und, du Arsch, das gönn´ ich dir.



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