Missverständnis

Jochen Gottfried Nübelaus
geht im Rotkreuz-Krankenhaus
oben hoch im fünften Stock
eingehüllt im Morgenrock
auf den Fluren hin und her,
leicht gebeugt, sein Schritt ist schwer.

Dass er bald entlassen wird,
hat ihn doch ganz schön verwirrt.
Ohne Gnade, ohne Huld
hieß es anfangs nur: Geduld!
Richten Sie, es muss schon sein,
sich auf fünf sechs Wochen sein.

Jetzt sind sieben längstens rum,
und er hat noch keinen Mumm
für die raue Wirklichkeit
harter Eigenständigkeit.
Dennoch schmeißt man ihn jetzt raus
Mit dem Marschbefehl: Nach Haus!
Raus in Gottes schöne Welt,
wieder völlig hergestellt,
so wie früher kugelrund
und von Kopf bis Fuß gesund!

Wenn ich aber draußen bin,
brabbelt er so vor sich hin,
lade ich zu Sekt und Wein
meine ganze Sippschaft ein.
Feiern werden wir ein Fest,
auch wenn man mich hier entlässt,
mich, den noch maladen Mann,
der nicht will und noch nicht kann.

Bloß was biete ich nur dann
Groß und Klein zum Essen an,
was dem Anlass auch entspricht?
Sparen will ich wirklich nicht.

Etwas Luxus darf schon sein,
denn ich komme raus, nicht rein
in das karge Krankenhaus
ohne allen Saus und Braus.

Trüffel reichlich, Trüffel satt,
alle, die der Händler hat,
zahlt die Portokasse bar,
Hummer, Austern, Kaviar;

Just genau in dem Moment
Kommt der Herr Privatdozent,
der J. Gottfried bestens kennt,
durch den Flur allhier vorbei
und denkt Ach, du dickes Ei!,

Was er da soeben hört,
ihn als Arzt ja mächtig stört,
hatte er doch in der Hast
überhaupt nicht recht erfasst,
was die letzte Phrase sagt,
dass sie ganz und gar nicht klagt
über eine Meeresfrucht
aus manch warmer Meeresbucht,
die hier gar nicht, wie ihr seht
für ein schlimmes Leiden steht.

Darum ruft er Nübel zu
wie mit allen - klar! - per Du:
Halt die Klappe, bester Mann!
Maß dir nur kein Urteil an!
Hummer wurde, nie passiert,
jemals diagnostiziert.
Und nicht nur aus meiner Sicht
Gibt´s auch Austern klinisch nicht!
Und den Kaviar, sei froh,
nennt Pschyrembel nirgendwo!
Krebs, nur Krebs, mein Nübelaus,
macht auch dir den Gar bald aus!