Ellipse: Prall und Proll
     

 

                  Lösegeld

Ja, es waren wunderbare,
zwei erfüllte Sonnenjahre,
die ich zwischen Papageien
- nachts noch höre ich sie schreien -
auf dem weiter nicht bekannten,
doch nach ihnen wohl benannten
stillen Südsee-Eiland lebte,
wo zwar nie die Erde bebte,
doch Tsunamis sie umspülten
und das Paradies zerwühlten.
Tag für Tag schien warm die Sonne,
sanfter Wind, die reinste Wonne,
brachte abends meist Erfrischung.

Ausgewogen war die Mischung
zwischen dolce far niente
- heißt präziser, dass ich pennte -
und den langen Wanderungen,
ganz spontan und nie erzwungen
durch die dichten Palmenwälder
und die bunten Schlafmohnfelder,
sprudelnd schwappt aus dieser Quelle
reichlich Teufels Drogenwelle.

An dem Sandstrand mich zu sielen,
Burgen bauend dort zu spielen,
war mir Freude und Vergnügen;
niemand sollte mich da rügen,
denn das Kind im Mann hat Rechte.
Schlimm, wenn man ihn darum brächte!

Abends, nächtens mit Piraten
das zu tun, was alle taten,
literweise Rum zu trinken,
um im Koma zu versinken,
war mir möglich ohne Reue,
weil der nächste Tag, der neue
nichts für mich verpflichtend machte,
außer dass ich spät erwachte,
wenn schon längst die Sonne lachte.

Doch was hier ich unterbreite,
hatte auch `ne dunkle Seite.

Gast war ich des mir so teuren
Erzpiraten Piet Vermeuren.
Diesen so genial bestussten
wir Mijnheer betiteln mussten,
ich und meist mit langer Fahne
alle seine Saufkumpane,
selbst im Vollrausch stinkbesoffen,
unrasiert, die Hose offen.

Ab- und schließlich eingefangen
hatte Piet mich auf dem langen
Segeltörn am Erdäquator
auf dem Segler IMPERATOR
und er brachte mich in Ketten
- Kruppstahl war das, möchte ich wetten -
auf das unbewohnte weiland
Südsee-Papageieneiland,
wo ich alle Freiheit hatte
inklusive Hängematte.

Piet, gar oft ein Einfallspinsel,
liebte seine kleine Insel.
Eine Insel gut zu kennen,
heißt auch, sie beim Namen nennen.
Weil sie doch noch keinen hatte,
musste Piet, der Strolch, die Ratte,
einen solchen nur erfinden,
um sie eng an sich zu binden.
Bald schon ließ er sie dann taufen;
fortan war sie anzulaufen
als das Eiland KkakadooHnie,
Winter gibt’s dort nur im Juni.

Hier noch zwei, drei Pietje-Schoten,
drüber lästern war verboten,
so dass ich noch jetzt nur leise
und diskret im Freundeskreise
meinen strengen Vorsatz breche
und darüber heimlich spreche

Piet saß da auf seiner Insel,
wusste nichts vom Blutgerinsel,
das ihn später schaffen sollte,
auch wenn er das gar nicht wollte,
saß da hoffend, auf den Pfründen
mal ein Sultanat zu gründen
oder bald schon, noch auf Erden
gar ein Großmogul zu werden.

Ferner kreisten die Gedanken
immer - klar doch! - ohne Schranken
um die Weltmacht Groß Kkakanien,
global player für Kastanien,
die dem Gründer Pietje schuldet,
dass sie jeden Seeraub duldet.

Immer hat er ja gemeckert,
ward wer wo gestörtebeckert.

Doch der größte seiner Träume
wuchs viel höher noch als Bäume:
Ob der Sünden seiner Jugend
samt Verlust der keuschen Tugend
wollt´ er dreißig Meerjungfrauen*
bald ein Altersheim erbauen,
falls sie irgendwann mal kamen,
nur das Feinste für die Damen,
integriert zwei Luxuszimmer
exklusiv für Nicht- und Schwimmer
eingerichtet und erfunden
für nur ganz intime Stunden
mit den hoffentlich noch ficksen
heiß geliebten Wassernixen!

Wie gesagt er war mir teuer,
Piet dies schlimme Ungeheuer,
denn anstatt mich kurz zu köpfen,
wollte er mich lieber schröpfen,
mich verbal mit harten Tritten
in den Arsch zur Kasse bitten.

Dafür, dass er mich erdulde,
meinte er ganz dreist, ich schulde
ihm Penunzen säckeweise.
Auch für jene Segelreise
bis zum Eiland KakkadooHnie,
kalt und frostig nur im Juni
jenem Spielplatz und Arena
für den Mamagei Frau Lena,
die er aufgezogen hatte
täglich nur mit Zuckerwatte,
müsse irgendwer bezahlen,
mehr als nur für zwei Sandalen.

Kost, Logie und Kleinigkeiten
seien hier in diesen breiten
unterm Strich doch echte Posten,
die nicht nur Zwei Fünfzig kosten,
und selbst wenn an dem es wäre,
gingen trotzdem monitäre
Bagatellen mir zu Lasten,
auch wenn sie mir schlecht nur passten.
Jede Woche frische Kleidung,
eigens zur Geruchsvermeidung
könne man - nicht dran zu denken -,
mir aus Großmut nicht grad schenken.

Strandbenutzung, Kurpauschale
werde er mir als banale
und als solche triviale
Forderung als Freund erlassen,
dürfte mir doch sicher passen,
nicht jedoch, das sei zu teuer,
die verdammte Mehrwertsteuer.

Gleich nach dieser Rechnungsstellung
spürte ich im Kopf `ne Schwellung.
Wie nur sollte ich die packen,
diese irren Schmerz-Attacken,
denn jetzt kam es zu Problemen
neuer Art, kaum angenehmen?

Ich bin keiner von den reichen,
zig milliardenschweren Scheichen,
aber auch kein armer Schlucker,
dem es fehlt an Brot und Zucker,
den die Banken grausam würgen,
ihn, den Schuldner ohne Bürgen.

Geht´s um Geld und um Finanzen,
hab´ ich manches noch im Ranzen,
um die gröbste Not zu mindern
und das Schlimmste zu verhindern.

Also konnt´ ich - unter Qualen -
meinem Bankhaus schriftlich sagen,
stante pede ohne Klagen
jenes Lösegeld zu zahlen,
bar in nicht gezinkten Noten
an den ausgewiesenen Boten.

Nur wie war vor allen Dingen
dieser Wunsch zu überbringen?

Ihn per e-mail abzuschicken,
konnte man sogleich schon knicken.
Anruf, Faxen oder Kabeln,
das gehört ins Reich der Fabeln.
Um es knapp und kurz zu fassen,
nichts, rein gar nichts schien zu passen.
Technik und IT-Finessen
durfte man getrost vergessen
dort im Reich der Papageien,
die der Insel Charme verleihen.

Dazu kam die nächste Frage,
wie bei solcher Insellage
man die Fracht denn heimwärts brachte,
so dass Pietjes Herz laut lachte?

Post- so wie Paketzusteller
wären sicher sehr viel schneller
als Logistikunternehmen,
die sich selten nur bequemen,
im Pazifik unter Fluchen
eine Insel aufzusuchen,
die sie schwer nur finden konnten,
denn nur kaum zu unterscheiden,
welch- ist welche von den beiden,
die man grade anvisierte
und so optisch gut studierte,
weil die armen wie die reichen
wie ein Ei dem andren gleichen.

So entschied im Widerstreben,
die Adresse preiszugeben
Käpt’n Piet: Verdammt! Ich meine,
so schafft man auch alleine!


Also schickte er dann seinen
allerbesten Kumpel, einen
- schlimmer noch als alle Biester -
abgehalftert alten Priester
nächtens heimlich still und leise
auf die lange, lange Reise.

Dieser hisste schnell die Segel,
ganz nach alter Seemannregel
navigierte er die Jolle,
war so richtig auf der Rolle,
kreuzte etwa siebzehn Tage
vor dem Wind in schiefer Lage
ohne Pause nach Kalkutta,
machte fest bei Tante Jutta,
dem Bordell direkt am Hafen,
um dort richtig auszuschlafen.

Endlich dann nach drei vier Wochen
kam er aus dem Bett gekrochen
hochbeglückt von all den Damen,
die ihn in die Arme nahmen
täglich dreimal, manchmal stündlich,
übertrieben wär sekündlich.

So ermannt und aufgerichtet
ward der Fahrplan erst gesichtet
auf die Abfahrtszeit der Dampfer,
bucht´ er auf der SAUERAMPFER
Luxusklasse plus Massage,
Ziel: Die Nord-Kanalpassage,
Hafen: Bath, wo einst die Briten
unter alten Römern litten.

Weiter ging es erster Klasse
weitab von der breiten Masse,
ganz gemütlich voll Behagen
straight im British Railway Wagen
directly and up to London,
wo sich meist die Royals befanden.

Kaum im Kings Cross angekommen,
von dem Trubel leicht benommen,
fand er schnell das BANKHAUS BAKER
- Spötter sagen Money Maker -,
wies sich aus, um schnell mal eben
ein Vermögen abzuheben.

Weil wohl Banker anders ticken,
fingen sie gleich an zu zicken:
Möglich, so die Satansbraten,
sei das nur in Jahresraten.
So viel Geld hier zu kassieren,
müsse ihn doch selbst genieren,
schließlich binde eine Regel
ihn und alle andren Flegel.
Auch die derzeit hohen Zinsen
gingen so doch in die Binsen,
und so weiter …bla…bla…blutig,
auch bla…bla ganz wagemutig.

Tief erschöpft von Disskussionen,
die sich offenbar nicht lohnen
ließ Piets Freund und Abgesandter,
- ein beim Yard schon recht bekannter -
die zwei Schalter-Tussies stehen
und rief hörbar laut im Gehen:
Tschüss, bis morgen wir uns sehen!

Anderntags kam eine Stunde
nach der kurzen Jogging-Runde
durch den Park und über Hürden
Monsignore, Ex-Hochwürden
eskortiert von Advokaten,
die die Unterwelt beraten,
und `nem toughen Consigliere,
wie es heißt, ein Mann von Ehre,
ins Büro vom Bankdirektor,
laut dem Türschild Joe P. Hector.

Anfangs sprachen die Juristen,
hielten Hector zwei drei Listen
vor die kleinen Schweineaugen,
um ihn erst kurz anzulaugen.

Dann der Ehrenmann vertraulich,
lächelnd doch wohl kaum erbaulich,
unterstrich - das wirkt meist besser -
jedes Wort mit einem Messer,
ließ es dabei deutlich blitzen,
so als wollt´ er auf- was -schlitzen.

Schließlich hat mit Bibelworten
Monsignore noch vor Orten
eindrucksvoll ganz kurz gepredigt,
und der Fall war schon erledigt,
nicht der Fall nur auch Joe Hector,
dieser brave Geldkollektor.

Bis zu Mittag zwölf Uhr dreißig
war die Zählmaschine fleißig,
und in prall gefüllten Säcken
- schwer, sie sicher zu verstecken -
Konnte man es mutig wagen,
diese vielen, vielen Kröten,
deretwegen Menschen töten,
aus der Bank herauszutragen.

Schon nach vierundzwanzig runden,
angespannt durchwachten Stunden,
um die Gangster abzuwehren,
die dein Hab und Gut nicht ehren,
sondern es für sich begehren,
ging es heimlich auf die Reise.

Fast genau in gleicher Weise
auf der wohlbekannten Route
fuhr der renovierte gute,
hochgeschätzte Luxusliner
- elegant wie er war keiner -
namens PATENONKEL RAINER
nach Kalkutta, wo die olle
oft benutzte Ein-Mann-Jolle,
dieses fast antike Schätzchen,
dümpelnd lag am Liegeplätzchen.

Um die Zeit sich zu vertreiben
und nicht inaktiv zu bleiben
- auf der langen Schiffspassage
bringt dich Nichtstun schnell in Rage -
fing er an, doch nur für Spesen,
Messen auf Latein zu lesen,
für die jungen wie die alten
Bibelstunden abzuhalten,
oder für ein paar Moneten
abends spät nach Tanz und Feten
noch den Rosenkranz zu beten.

Einmal sich man dran erbaute,
wie er zwei schon sehr ergraute
Passagiere christlich traute.
Danach doch vergaloppierte
er sich, als er gratulierte,
machte ja das Paar verlegen
wünschend Reichen Kindersegen!

All das lief in zwei Kapellen,
lichtdurchflutet strahlend hellen,
war, geschützt vor Wind und Wellen,
eine für die Luxusklasse,
eine kleine für die Masse,
beide voll von Weihrauchfässern,
um die Seeluft zu verbessern.

Nach der obligaten Pause,
heißt nach der Kalkutta-Sause
ging die Heimfahrt zügig weiter
auf der Jolle Wellenreiter.

Sturm, Gewitter und auch Flauten
waren die ihm wohl vertrauten,
gottgewollten Wegbegleiter
für den wackeren Mitarbeiter
und auch eine ihrer Säulen
in der Firma Piet Vermeulen.

Endlich kam der scharfe Denker,
der geweihte Menschenlenker
seiner wilden Räuberbande
ob zu Wasser, ob zu Lande
kerngesund am Freitagmorgen
braungebrannt und frei von Sorgen
in die Bucht, den kleinen Hafen,
wo die Krokodile schlafen.

Jubelnd wurde er empfangen
nach den fast schon endlos langen
Sorgen um sein Wohlergehen.
Was sei ihm denn wohl geschehen,
fragte man sich immer wieder,
kniete dabei betend nieder.

Andre glaubten, solche Reisen
mache er, um Gott zu preisen.
Das war rundum zwar gelogen,
aber schön zurechtgebogen
als ein Labsal fürs Gewissen,
war ja längst schon arg verschlissen.

Zahllos gab es auch Gebete,
hieß es, für die schöne Knete,
die der Priester sich beeilte
herzuholen und verteilte,
-----doch an Piet nur. Hochsympathisch
sei das und auch demokratisch,
glaubte er. War nicht zu fassen.
Hatte Rum aus großen Tassen
etwa Spuren hinterlassen?

Piet rief dann beim Komasaufen
Richtung Priester: Jetzt verschnaufen
musst du, an den Gast dich wenden,
die Visite ihm beenden.
Du vergib ihm seine Sünden!
Ich will gern alsdann verkünden:
Seht wie unser Wort wir halten,
denn seit eh und je schon galten
wir als Gents und Ehrenmänner,
nie jedoch für miese Penner.
Frei bist du, ab jetzt entlassen
Und vergiss es, uns zu hassen.


Bis zum Hahnenschrei am Morgen
blieb mir vieles ganz verborgen,
denn ich war ja sturzbetrunken,
hab auch aus dem Mund gestunken.

Dies doch konnte durch Sinnieren
später ich rekonstruieren,
dass sie wie `nen schwer Bekifften
leblos morgens mich verschifften.

Ich erwachte von der Sonne
- neben mir lag eine Tonne
und drei alte Käsebrötchen -,
in dem blauen Gummibötchen,
das sie mir, dem völlig platten,
sorgsam aufgeblasen hatten.
Sicher darin aufgehoben
hatte man mich rausgeschoben
durch die Brandung in die breite
und vor allem endlos weite
Oberflächlich öder Leere
aller sieben Weltenmeere

Um vielleicht zu überleben,
hatte man sie mitgegeben,
die besagten Käsebrötchen.

Reimt sich ja so schön auf Bötchen.
Hatte der Piraten-Kader
gar für Poesie ´ne Ader?

Auch in jener runden Tonne,
Schutz vor Nässe, Schimmel, Sonne,
lag in Fülle was zu essen,
werd´s mein Lebtag nicht vergessen:
Ganz Spezielles für Piraten
- denkt jetzt nicht an Schweinebraten -.
Nie wird´s ihnen daran hapern,
an frisch eingelegten Kapern.

Nach zwölf Tagen und acht Stunden
Hat mich irgendwer gefunden,
von der Sonne arg zerschunden.

Ich hielt sie für Indianer
jene Südseeinsulaner,
die mich sorgsam erst mal hegten,
sanft mit Bambussäften pflegten
und per Einbaum mich dann brachten
in die Amsterdamer Grachten.

*Über Vermeuren und auch diese Wesen,
könnt ihr gar manches noch andernorts lesen.
Sie zu verpassen, das wäre doch schade,
jene gereimte PIRATENBALLADE.
Will sie recht gern euch zur Freude fix schicken,
ihr müsst den L I N K  hier nur kräftig beklicken

<http://www.prall-und-proll.de/Piratenballade.html>

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