Liebe Nachbarschaft

Frau Nachbarin ist echt pikiert,
um nicht zu sagen echauffiert.
Wenn sie so aus dem Fenster schaut,
sie kaum den eignen Augen traut.
Was sie da sieht im Nachbarhaus,
schlägt glatt dem Fass den Boden aus.

So wird empört sie bald aktiv,
erklärt sich nicht in einem Brief,
vielmehr geht sie persönlich dann
den Missstand gegenüber an.

Um ein Gespräch von Frau zu Frau
geht sie die geile alte Sau,
wie sie, ihr Gegenüber nennt,
die sie nur aus der Ferne kennt,
ganz freundlich an der Haustür an.

Natürlich! Gerne! Nichts wie rein!
Nur bitte nicht so förmlich sein!
Noch freundlich so der Erstkontakt,
nicht ganz mehr so im zweiten Akt.

Als man bei einer Tasse Tee
serviert von einer Küchenfee
dann endlich doch zum dunque* kommt,
ist man zu feiner Höflichkeit
nicht im Geringsten mehr bereit.

Sie kennen doch das Wort tabu?
Dann, bitte ich, den Vorhang zu!
Von drüben schaut sonst jeder rein
bei Regen und bei Sonnenschein
und sieht, muss das denn wirklich sein,
was so ihr Mann, zwar schon beleibt,
so alles hier mit ihnen treibt.

Der Anblick ist nur ein Genuss
für den, der noch was lernen muss.
Wie hier man eifrig kopuliert,
mich überhaupt nicht interessiert.
Auch ihr Geschrei mit tausend Phon
erweckt bei uns nur Spott und Hohn.

Ersparen Sie die böse Lust
den einen, andren allen Frust!
Denn so bleibt schließlich jeder Graus
nach hier- wie auch nach dorthin aus.

Das Schweigen ist nur tief und kurz,
der Anwurf doch Madame nur schnurz.
Das zeigt ganz deutlich ihr Gesicht,
denn eine Regung kommt da nicht.

Sie dreht den Spieß ganz einfach um
kommt so der Nachbarin nur dumm:

Getrübt ist wohl ihr Augenlicht!
verwehrt es Ihnen klare Sicht?
Sind Sie mir etwa Gar schon blind,
wie das nur die Talpiden** sind?

Mit Ihren Augen, bitte sehr,
ist wahrlich gar nichts weit mehr her,
wenn man den Kerl von nebenan
mit meinem Mann verwechseln kann.


*Ital. il dunque - der springende Punkt
** Talpiden - Maulwürfe