Ellipse: Prall und Proll
     

 

            Lebensbeichte

Vor dem Haus auf der Veranda
sitzt im Schaukelstuhl Amanda,
freut sich sichtbar ihres Lebens,
eins des Nehmens und des Gebens.

Da kommt einer auf dem Radel,
hinter ihm hockt fesch sein Madel.
Beide seh
en Amanda gerne,
klar ist ihnen schon von ferne,
dass Amanda still genießen
will, was man nach Blumengießen
so genießt am Lebensabend
nur den Schaukelstuhl noch habend,
eh das Ende kommt, das triste,
in der großen Eichenkiste.

Freundlich kommt man gleich ins Reden,
man bespricht dabei fast jeden
Hauptaspekt von Sein und Werden
auch die Sorgen und Beschwerden.

Doch Amanda wirkt gelassen,
kaum kann das der Radler fassen,
wie mit Leichtigkeit von Faltern
manche Leute lächelnd altern.

Nach dem Grundsatz ihres Lebens,
nach der Richtung ihres Strebens
fragt der Radler bald Amanda
bei dem Plausch auf der Veranda.

Äußerlich total zerknittert,
doch im Herzen kaum verbittert
weiß Amanda zu berichten
von so mancherlei Geschichten.

Täglich, sagt sie, Zigaretten!
Achtzig, neunzig, kann ich wetten;
immer fettes Mittagessen,
niemals je zu knapp bemessen,
abends dann wie Freundin Trine
alles, nur nicht Vitamine.

Trine hat wohl übertrieben,
hat sich förmlich aufgerieben
mit dem Schnee und dann den Pillen.
Gutes tat sie nur im Stillen,
war ja jedem Mann zu Willen;
ist so schon mit dreißig Jahren
in die Grube eingefahren.

Ich konnt vieles von ihr lernen,
doch griff niemals zu den Sternen,
denn ich war ja so bescheiden,
darum mochte man mich leiden.

Täglich trank ich je drei Pullen
Rotwein zu den trocknen Stullen.
Rotwein trocken runterwürgen,
dafür kann ich mich verbürgen,
das war nie Amandas Sache.
Wenn ich irgendetwas mache,
dann war mir schon immer wichtig,
lieber gar nicht, wenn nicht richtig.

Um den Wein nun reinzuspülen,
hieß es, tief im Schnapsschrank wühlen.
Ich trank Schnaps als Wegbereiter
und auch mehr noch als Begleiter
für den Roten, je zwei Flaschen
hatt´ ich immer in den Taschen.

Sportlich war ich, wollte reiten,
ließ mich drum ins Bett begleiten;
sagte dann zu mir alleine:
Wozu hat die Frau denn Beine?
a) um erst den Mann zu reizen,
b) um dann die Knie zu spreizen.

Bin so Nächte durchgeritten,
habe nie dabei gelitten.
Sicher war ich jeden Morgen:
Dem ist nichts mehr zu besorgen.

Konnt´ der Herr dann nicht mehr krauchen,
war er nicht mehr zu gebrauchen,
hing er noch so in den Sielen,
war egal doch bei so vielen.
Niemals braucht´ ich weit zu wandern,
abends gab´s schon einen andern.

Käm ich Euch, dem Schnuckelpärchen
hier jetzt etwa mit dem Märchen
Ich nahm niemals Stoff und Drogen!,
wär das einfach glatt gelogen.
Habe immer schnell begriffen,
heute kannst du gut hier kiffen;
ab und zu mal eine Nadel,
die verleiht dem Junkie Adel.

Gern doch denk ich an Luise
und an ihre Erzdevise:
Werde nie und nimmer süchtig,
bleibe immer lebenstüchtig;
um nicht im Entzug zu kacken,
lass dich nicht vom Affen packen!.

So verlief mein ganzes Leben,
nichts ließ mich vor Angst erbeben.

Jetzt im vorgerückten Alter
sitz ich hier und denk an Walter,
der mich eine Nacht lang liebte,
und der Himmel war der siebte;
den hat er mit seinem Großen
lustvoll für mich aufgestoßen.

Walter fuhr auf allen Meeren,
taufte dann, um mich zu ehren,
seinen Segler, einen Klipper,
FRAU AMANDA; starb am Tripper.

Mich quält manchmal ein Gezipper,
kann dafür noch kräftig scheißen,
nur nicht ganz so gut mehr beißen.
Schwer fällt mir das lange Stehen,
und kann bald auch nichts mehr sehen;
das Geschrei von lauten Gören
kann mich längst schon nicht mehr stören.

Hier sitz ich nun Stund um Stunde,
schau voll Neugier in die Runde,
frag mich, wie das so geworden,
warte auf den Flug nach Norden,
auf den Flug der wilden Gänse
und den Alten mit der Sense.


Was Amanda hier erzählte,
das war nur das Ausgewählte,
und man wusste, solch ein Leben
kann es nur ganz selten geben.

Sie verschwieg in ihrer Rede
taktvoll Peter, Jan und Ede,
auch die ganzen krummen Dinger
mit dem goldlackierten Finger,
oder wie sie sich vergeigte,
so ihr ganzes Wesen zeigte,
als sie einen Kerl belohnte,
der zwei Wochen bei ihr wohnte.

Taub war der und wollt´ nur gucken,
sagte ständig laut: Lass jucken!
Los, Amanda, mach schon hinne,
ist doch ganz in meinem Sinne.


All das hat sie klug verschwiegen,
war ja auch nicht grad gediegen,
ließ dann kurz noch einen fliegen
und versank alsdann nach innen
in ein stummes, dumpfes Sinnen.

Fast schon konnt´ man Rührung zeigen
bei Amandas tiefem Schweigen,
Diese Radler, diese beiden,
wollten jedes Wort vermeiden.

Was das heißt Voll Lust zu leiden,
konnten sie jetzt fast erahnen,
ihnen schien das nun schwanen.

Nur um irgendwas zu sagen,
fragt´ der Radler: Darf ich wagen,
nach dem Alter Sie zu fragen.
Sollten Sie mir dies verwehren,
könnt ich nicht Ihr Alter ehren;
das ist doch die Pflicht der Jugend,
kennt sie Anstand noch und Tugend.


Diese abgeklärte Dame,
die wohl nie ganz tugendsame,
die vom Leben so geschunden
alles zugibt unumwunden,
kommt zurück aus weiter Ferne
und sagt: Ja, das tu ich gerne:
Klaro! Klar! Amanda heiß ich
und bin bald schon vierunddreißig.


          ᵕ     ̶    ᵕ     ̶    ᵕ     ̶    ᵕ