Ellipse: Prall und Proll
     

 

                  Home Office

Nichts als Ängste Schweiß und Tränen
- muss man das nochmals erwähnen? -
bringen uns die Covid-Zeiten
in der ganzen Welt, der weiten.

Das erfährt auch Erwin Treller,
seines Zeichens Briefzusteller,
wie es heißt, am eignen Leibe
eingesperrt in seiner Bleibe,
ihm sein Ego echt zerfetzend,
ihm die Seele arg verletzend
in dem kleinen Home-Büröchen
enger als ein Gästeklöchen.

Seit auf Intensivstationen
massenweise Menschen wohnen,
um dort an Coronaviren
auch trotz Impfung zu krepieren,
müssen selbst die Briefe-Träger
wie schon stets die Kammerjäger
Heimarbeit im Stillen leisten
mit der Aussicht für die meisten,
dass sie nervlich dort entgleisten,
denn die neue Postmethode,
hier im Land jetzt stark in Mode,
reißt bestimmt an allen Nerven.
Sollte man sie nicht verwerfen?

Der Protest doch bleibt wohl leise,
denn die neuste Arbeitsweise
ist im Home-Off. vorgeschrieben,
steht nicht etwa im Belieben.

Keiner braucht mehr rumzurennen,
jede Tür samt Flur zu kennen
und vor all den engen Schlitzen
schweißnass abgehetzt zu schwitzen.

Diese neue Postzustellung
bringt den Füßen keine Schwellung,
ist auch einfach zu erklären,
wird hier kurze Zeit nur währen:

Jeder Brief ist aufzuschlitzen,
notfalls mit den Fingerspitzen,
durchzulesen, zu studieren;
das geht oft schon an die Nieren,
ist auch oft zum Haare raufen
oder bringt dich schnell ans Saufen,
wenn man liest, was Leute treiben
und es noch im Brief beschreiben.

Oft auch wackeln Fensterscheiben
vor Gelächter und Entsetzen,
liest man, wie sich manche fetzen
und auch seelisch noch verletzen.

Dabei nimmt man selber Schaden
wie das Fleisch beim Fraß von Maden.

Nachher ist dann zu entscheiden,
- wer mag so was denn schon leiden? -,
welcher Inhalt ist so richtig
ernst zu nehmen und auch wichtig,
um sich schnellstens zu beeilen,
das dem Kunden mitzuteilen.

Kennt man aller Adressaten
Handy- oder Festnetzdaten,
werden sie dann angerufen,
zeitsortiert in sieben Stufen,
je nach großen Dringlichkeiten
und Quisquilien, Nichtigkeiten.

Wird der Hörer aufgenommen
heißt es Ihre Post! Willkommen!,
und der Brief wird vorgelesen,
ohne Kosten, ohne Spesen.

All das andre Aussortierte,
was wohl kaum wen interessierte,
   Weihnachtsgrüße, Ansichtskarten
   und Prospekte aller Arten,
   Telegramme, Steuerbriefe,
   menschlich völlig ohne Tiefe,
   Postwurfsendung, Mahnbescheide,
   selten eine Augenweide,
   Lottowerbung, Preisausschreiben,
   die zumeist im Vagen bleiben,
   Kirchenzeitung HIMMELSLEITER
   und so fort und immer weiter
kommt sogleich und das auch gründlich,
manchmal leider auch nur stündlich
ohne darin rumzublättern
unbeachtet fort zum Schreddern.



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