Ellipse: Prall und Proll
     

 

             Große Literatur
                     in Blindenschrift

Blind so wie noch keiner war,
ist mein Bruder Ottokar.

Neulich mal am Küchentisch
las er aufmerksam und frisch,
konzentriert auf irgendwas,
deutlich machte ihm das Spaß.

Las als Blinder mit der Hand,
war bald außer Rand und Band,
lachte laut und weinte still,
fragte: Was der Typ wohl will?
Was hat der mit dieser Frau,
diese ausgebuffte Sau?

Fertig mit dem Lesestoff
Ottokar vor Schweiß nur troff,
war ganz fertig und verstört:
Mann, das war ja unerhört!

Wer ist das, der so was schreibt,
dass man sich die Augen reibt,
dass das Trommelfell dir schallt,
weil das Herz zum Hals hoch knallt,
dass man sich ins Höschen pisst,
weil man nervlich fertig ist?


Ottokar bog sich zurück,
hielt es fest, das Meisterstück,
dieses Stück aus einem Guss,
das ihm solchen Hochgenuss
literarisch hat beschert:
Ja, das ist sein Geld schon wert.

Ottokar war gut gelaunt,
ich hingegen mehr erstaunt,
denn, was er so spannend fand
unter seiner rechten Hand,
war nicht etwa Blindenschrift,
die nur Ottokar betrifft,
war es nicht, weiß Gott, beileibe,
sondern Mamas Käsereibe.

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