Ellipse: Prall und Proll
     

 

          Ars pathologiae*

Ein Student, ein Mediziner,
bald der Kranken treuer Diener,
tritt zum allerersten Male
hier in Halle an der Saale
ein ins Haus der Pathologen,
wo ganz nackt und ausgezogen
allenthalben Leichen liegen,
die dort eine Nummer kriegen;
baumelnd an den großen Zehen,
kann man sie viel besser sehen.

Der Student, so emsig, fleißig,
steht vor Nummer dreiunddreißig,
hört den Herrn im weißen Kittel,
Prof. und Doktor med. sein Titel,
über den Verblichenen reden,
über ihn wie über jeden,
laut, man kann ihn bestens hören,
keinen Leichnam wird das stören.

Schließlich fragt er diesen einen:
Junger Mann, was Sie wohl meinen?
Woran ist Mann gestorben,
der hier liegt noch nicht verdorben?
Hätte man ihn retten können,
um ihm noch was Zeit zu gönnen?

Ohne lang zu überlegen
sagt der junge Mann Von wegen!
Retten? Da war nichts zu machen!
Ständig ließ es der nur krachen,
hat so wie ein Loch gesoffen,
bis ihn dann der Schlag getroffen.
Hier nun meine Diagnose:
Säuferleber und Zirrhose.

Der Professor staunt betroffen:
Herr Kollege, sag es offen,
habe nichts hinzuzufügen,
Ihr Befund, der kann genügen.
Keiner kann es besser sagen,
worin hier die Gründe lagen
für den Heimgang zu den Ahnen.
Ja, sein Sterben soll uns mahnen.

Aber jetzt muss ich noch fragen,
ob Sie mir vielleicht auch sagen,
wie Sie ganz perfekt, präzise
eine Krankheit so wie diese
ratzfatz diagnostizieren,
wo Sie jetzt doch noch studieren.

Der Student bleibt ganz bescheiden,
der Professor mag das leiden:
Was soll jemand von mir halten,
würde ich nicht meinen Alten…..,
wie soll einer mich denn nennen,
würd´ ich Papa nicht erkennen?

* Lat: Die Kunst der Pathologie 


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